Frauen fordern ernsthafte Gleichstellungspolitik in Bad Vilbel

Frauen aus Bad Vilbel kämpfen auch in ihrer Stadt für Geschlechtergerechtigkeit und wehren sich gegen den Eindruck, sie würden sich mit Erreichtem zufrieden geben. Anlass eines spontanen Treffens sind die Äußerungen der städtischen Frauenbeauftragten am Frauentag. Kathrin Anders, Fraktionsvorsitzende der Grünen und Bundestagsdirektkandidatin der Wetterau, erläutert: „Wir haben uns kurzentschlossen verabredet, weil wir uns ganz und gar nicht mit den Gegebenheiten arrangieren. Wir fühlen uns von der Frauenbeauftragten im Stich gelassen. Und das in einer Zeit wo Errungenschaften der Frauen öffentlich in Frage gestellt werden.“ Myriam Gellner ergänzt: „Weltweit gehen Frauen wieder auf die Straße, weil reaktionäre Politiker die Uhren zurückdrehen wollen. Auch wir vor Ort setzen uns weiter für Feminismus ein und brauchen ein weibliches Sprachrohr für Mädchen- und Frauenbelange!“

Spontan haben sich vier Streiterinnen für Frauenrechte getroffen. Weitere wollten kommen, konnten aber so kurzfristig nicht. Schnell wird der Runde deutlich, dass es viele Frauen gibt, die sich zurückgesetzt fühlen, dies aber oft nicht äußern. Melinda Goettgens verdeutlicht dies an einem Beispiel: „Die Öffentlichkeit in Bad Vilbel wird von Männern dominiert. Dies war bei den Bürgerver-sammlungen zum Hessentag sehr gut zu beobachten. Während auf dem Podium ausschließlich Männer zu Wort kamen, durften Frauen die Kärtchen einsammeln.“ Die Übrigen ergänzen weitere Fälle. Eine musste sich beim Einstellungsgespräch anhören: „Wie sieht es denn bei ihnen mit Kindern aus? Bei uns geht es gerade zu wie in einer Legebatterie.“ Dementsprechend verläuft das weibliche Erwerbsleben heute noch immer deutlich anders als das männliche. Meist sind die Unterschiede in der Gesellschaft heute nicht mehr so offensichtlich. Doch spüren können sie es deutlich, wie unsichtbare aber sehr wirksame Grenzen in der Erziehung, beim Einkommen oder bei der Vergabe einflussreicher Ämter existieren. So sind weitaus mehr Frauen in Teilzeitanstellungen oder prekären Jobs, von Armut bedroht und Opfer von Gewalt. „Solange wir keine Parität haben und Frauen echte Chancengleichheit verwehrt wird, brauchen wir starke Interessensvertreterinnen, die diese Ungleichheit bewusst machen und auf einen Ausgleich drängen. Und das muss hier vor Ort mit einer entsprechenden Frauenbeauftragten beginnen“, erklärt Melinda Goettgens. Und Myriam Gellner fährt fort: „Gerade eine Frauenbeauftragte sollte mit Blick auf Stadtpolitik, Gestaltung öffentlicher Räume, Schaffung sozialer Einrichtungen die Interessen von Mädchen und Frauen geltend machen. Sie könnte sich für Aufklärungsarbeit und Fördermaßnahmen stark machen, so dass ´unsichtbare` Diskriminierungsstrukturen in unserer Gesellschaft überwunden werden.“

Sie sind sich einig, was es für dieses Ziel braucht: Zunächst müssen diese Probleme angesprochen und bewusst gemacht werden. Dann braucht es Veranstaltungen, die Frauen ermutigen und aufklären. Als positives Beispiel ist hier die Veranstaltungsreihe „Starke Frauen in Bad Vilbel“ der Bürgeraktive zu nennen. Aber es müssen dann auch strukturelle und andere Formen der Diskriminierung beseitigt werden. Gleichzeitig müssen Präventionsmaßnahmen durchgeführt werden, die Frauen vor Gewalt im öffentlichen Raum und im häuslichen Bereich schützen. Eine bewusste Mädchenpolitik wirkt ebenfalls präventiv gegen Zurücksetzung. Kathrin Anders erklärt: „Für all diese Dinge müsste sich eine Frauenbeauftragte einsetzen. Doch ist nicht zu erwarten, dass die Herren des Magistrats solch eine starke Interessensvertreterin berufen werden. Warum sollten sie auch? In Bad Vilbel bauen sich Männer Baudenkmäler, während Frauen in die Zukunft investieren.“

Weil von Seiten der Stadt nichts zu erhoffen ist, organisieren sich die Frauen jetzt selbst. Melinda Goettgens ist Ansprechperson dieser Gruppe. Sie will als Netzwerkerin Frauen und Mädchen zusammenbringen, damit sie gemeinsam etwas in Sachen Gleichstellung bewegt bekommen. Vorbilder sind ihnen der Behindertenbeauftragte der Stadt und der gehörlose Stadtverordnete Sascha Nuhn. Sie haben z.B. erreicht, dass bei Bürgerversammlungen Gebärdendolmetscher anwesend sind. Eine Kinderbetreuung fehlt auf solchen Veranstaltungen jedoch. „Dass sich das und viele andere Punkte ändern, dafür setzen wir uns jetzt ein“, erklärt Frau Goettgens.

Melinda Goettgens ist per E-Mail erreichbar: Gleichstellung@gruene-badvilbel.de