Verkehrswende ist Kopfsache

2016-02-06_Ausstellung_Mobilität_web Die Grünen haben mit ihrer Mobilitätsveranstaltung am vergangenen Samstag die Tür zum Verkehr der Zukunft weit aufgestoßen. Die BürgerInnen nahmen die verschiedenen Angebote interessiert an und nutzten ausgiebig die Gelegenheit, Elektroautos im Stadtverkehr zu testen. In der abschließenden Diskussionsrunde wurden zahlreiche kleine Schritte aufgezeigt, um in Bad Vilbel zu einer zukunftsfähigen Mobilität zu kommen. Der grüne Bürgermeisterkandidat Clemens Breest resümiert: „Die Verkehrswende ist vor allem eine Kopfsache. Alle notwendigen technischen und organisatorischen Voraussetzungen lassen sich in Bad Vilbel relativ leicht und für wenig Geld realisieren.“

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Bürgermeisterkandidat Breest 100% elektrisch

Die Grünen warben mit verschiedenen Ausstellern im und vor dem Kurhaus für neue Wege im Verkehr. Das Autohaus Weil aus Friedrichsdorf präsentierte mehrere Elektrofahrzeuge. Gerald Weil erläuterte mit seinem Mitarbeiter an den Fahrzeugen und auf Probefahrten die Vorzüge der Elektromobilität. „Ein absolut überzeugende Alternative, um den Verkehrslärm und die Abgasbelastung in der Stadt deutlich zu reduzieren.“, befand Jens Matthias, Vorstandsmitglied der Vilbeler Grünen. Damit Elektroautos nicht auf Atom- oder Kohlestrom angewiesen sind warb Greenpeace Energy für echten Ökostrom aus 100% erneuerbarer Energie. Das Autohaus Jörg und stadtmobil offerierten eine weitere Verkehrsalternative, die inzwischen stark nachgefragt wird: das Carsharing. Beide Anbieter betreiben bereits fünf Stellplätze in Bad Vilbel. Die Mitarbeiter erklärten, wer nur gelegentlich ein Auto benötigt oder sich überlegt einen Zweitwagen anzuschaffen, sollte ernsthaft Carsharing als kostengünstigere Alternative in Betracht ziehen. Auch Senioren nutzen vermehrt Carsharing, bleibt ihnen dadurch Pflege und regelmäßige Werkstatttermine erspart. Doch auch das Zweirad mit Elektroantrieb hat sich zu einer ernsthaften Alternative zum Auto entwickelt. Über die moderne Fortbewegung auf E-Bikes klärte Stefan Trauth von Biketempel auf. Sein mobiles Angebot richtet sich an Berufspendler und Studenten. Bisher war das Fahrrad eine Option für Distanzen bis 5 km. Durch E-Bikes sind Distanzen bis 25 km und mehr bequem zu bewältigen. „Damit dieses Angebot eine echte Alternative wird, braucht es allerdings einen entsprechenden Ausbau der Radwege auch über kommunale Grenzen hinweg.“, erinnerte Jana Peters, ebenfalls grünes Vorstandsmitglied. Und selbst bei größeren Einkäufen muss man nicht mehr auf das Fahrrad verzichten. Klaus Grund präsentiert das Angebot der mietbaren Lastenräder, mit denen sich eine Ladung von 100 kg gut transportieren lässt. Pizzadienste und selbst kleine Umzüge nutzen mittlerweile Lastenräder.

In der anschließenden Diskussionsrunde am Nachmittag stellten sich Vertreter der verschiedenen Alternativen den Fragen von Clemens Breest und den TeilnehmerInnen. Das Publikum nutzte die Gelegenheit, um zahlreiche Fragen zur Mobilität zu stellen, die fachlich gut beantwortet werden konnten. Clemens Breest fasste für sich das Ergebnis der Runde wie folgt zusammen: “Es braucht letztendlich individuelle Lösungen für die einzelne Bürgerin oder den einzelnen Bürger. Je nach Mobilitätsbedarf, sollte jeder aus einer breiten Angebotspalette das für ihn günstigste Angebot von Fall zu Fall wählen können. Deshalb setze ich mich sowohl für den Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobile und E-Bikes in Bad Vilbel ein, als auch für den Ausbau der Fernradwege nicht nur entlang der Niddaroute, sondern auch von Bad Homburg über Bad Vilbel bis Hanau. Langfristig möchte ich den Bad Vilbelern eine preisgünstige Monatskarte anbieten können, die sowohl die Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs, als auch das Car- und Bikesharing erlaubt.“

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v.l.: Stefan Trauth, Klaus Grund, Clemens Breest, Martin Franke, Marcus Stadler, Gerald Weil

Gerald Weil erläuterte, wie Elektroautos einen deutlichen Umweltbeitrag für ein gesünderes Leben in der Stadt leisten. Kritische Fragen hinsichtlich Preis, Reichweite und Ladezeiten konnte er überzeugend beantworten. Die Ladezeiten haben sich deutlich verkürzt. Es mangelt jedoch noch an ausreichenden Ladestationen. In Bad Vilbel bietet nur ein Discounter ein Parkplatz mit Ladestation an. Ein Zuhörer forderte, dass sich Bad Vilbel für E-Mobile „zur Steckdosenhauptstadt in der Wetterau“ entwickeln solle. Marcus Stadler, grüner Kreiskandidat aus Nidda, berichtete davon, dass er seit eineinhalb Jahren ein Elektroauto fährt und noch nie wegen leerer Batterie liegen geblieben ist. Für ihn ist die tägliche Fahrt zur Arbeit und zurück mit dem E-Auto zur Normalität geworden. Allerdings berichtet er von umständlichen Registrierungsverfahren für Ladesäulen. „Es wäre wesentlich sinnvoller, wenn alle Stromanbieter gemeinsam ein Ladesäulennetz in Deutschland betrieben, als jeder sein eigenes. So muss man als E-Mobil-Nutzer sich mehrfach registrieren lassen und wird unterschiedlich abgerechnet.“ schildert er den Entwicklungsbedarf in Deutschland.

Deutlich einfacher geht es da beim Carsharing. Der Vorteil beim Carsharing für den Stadtverkehr ist die deutlich bessere Auslastung eines Autos. Martin Franke schildert: „Ein geteiltes Auto ersetzt sieben Pkws. Das ist nicht nur eine Verbesserung im fließenden Verkehr, sondern gibt enorm viel Parkraum frei.“ Allerdings ist es für Carsharer sehr schwer, an Stellflächen in frequentierten und gut erreichbaren Lagen zu kommen. Die Kommunen verlangen hohe Stellplatzgebühren, so dass sich ein solches Angebot oft nicht rechnet.

Stefan Trauth berichtet, dass dem Verkehrschaos im Berufsverkehr und der Prakplatznot am besten mit dem Fahrrad entgangen werden kann. Inzwischen unterstützen große Firmen die Nutzung des Fahrrads, indem sie überwachte Fahrradstellplätze, Umkleiden, Duschräume und Reparatursets ihren Mitarbeitern bereitstellen. Allerdings ist die Verkehrspolitik zu sehr auf das Auto fokussiert. Das kann sich ändern wie das Beispiel des ersten Stadtrats in Eschborn zeigte. Der grüne Politiker nutzt statt einem Dienstwagen ein Dienstfahrrad. Die dadurch gewonnene Perspektive, veranlasste ihn, deutliche Verbesserungen für Fahrradfahrer in der Stadt durchzusetzen. Dies ist auch eine Perspektive für Bad Vilbel.

Klaus Grund schildert, wie derzeit das Angebot der Lastenfahrräder in Frankfurt ausgebaut wird. Für Bad Vilbel stellt er fest: „Es liegt an der Stadtpolitik, wenn auch hier Lastenfahrräder nutzbar sein sollen.“ Dabei ließe sich auch der heimische Einzelhandel stärken. Über ein virtuelles Schaufenster mit Produkten der heimischen Anbieter, können Kunden sich Waren mit Lastenräder am gleichen Tag noch liefern lassen.